Rezensionen

Jenseits der Illusion des Ich

Buchbesprechung Jenseits der Illusion des Ich
von A.Groß

Gerade einmal 9 x 15 cm misst das auf den ersten Blick eher kleine, weniger ins Auge fallende Werk von Raphael. Und mit seinen rund 60 Seiten scheint es auch keine große Herausforderung zu sein. Doch weit gefehlt. Aber dazu später mehr.

Jenseits der Illusion des Ich ist das bereits 1997 erschienene und bis zu diesem Zeitpunkt zweite, ins Deutsche übertragene Werk des in Italien lebenden und wirkenden Verfassers Raphael.

Aber der schon mit offensichtlicher Sorgfalt ausgewählte Titel lässt uns aufhorchen und regt an, in den Inhalt einzutauchen. Dort erwartet den Leser ein exzellenter Kenner »jenseits der Illusion des Ich«.

Wer sich dann mit der Schrift eingehender auseinandersetzt, gewinnt zunehmend den Eindruck, dass sich hier eine Transzendenz des Bewusstseins offenbart mit der besonderen Eignung, uns die Tore zur Welt der reinen Ideen (Platon) zu öffnen (»Ich gebe Dir die Schlüssel, um die Tore des Tempels zu öffnen ...«, S.13).

In allem aber nie das Ziel aus den Augen verlierend, denn der Irrtümer gibt es viele, verschweigt Raphael uns zu keiner Zeit die Voraussetzungen, Notwendigkeiten und Schwierigkeiten, um die sadhana erfolgreich zur Vollendung zu bringen.

Den Wirrnissen und Begrenzungen der Alltagsidentifizierung setzt er mit seinen oft ganz präzisen Darlegungen eine Erkenntnis entgegen, die uns die Schönheiten (Prinzipien) der geistigen Welt aufzeigt; nur um in einem finalen Akt die absolute Freiheit zu verwirklichen.

Ungewöhnlich mögen dem Leser vielleicht anfangs seine zum Feuer (ein in der östlichen und westlichen Überlieferung immer wieder auftauchender Substanzbegriff) bezug nehmenden Erklärungen sein: »Das Leben des Schülers besteht also aus Feuer ...«, »Instinkte, Leidenschaften, Ideen etc. sind nichts anderes als Ausdrucksformen des Feuers«.
Mit seinen profunden Kenntnissen der östlichen und westlichen Überlieferung ist Raphael aber bestens ausgestattet und bewegt sich auch hier auf sicherem Terrain. In seinem Werk Der Dreifache Feuerweg behandelt Raphael dann ausführlich die Feuer-Philosophie.

Entsprechende Schaubilder (wie in vielen seiner Schriften) schärfen darüberhinaus noch zusätzlich die Aufmerksamkeit, und durch seine ganze Arbeit hindurch lässt er uns nicht einen Augenblick im Unklaren darüber, was beherrscht, aufgelöst und überschritten werden muss.
Wichtige Faktoren also, um den Verwirklichungsprozess zum Siedepunkt zu bringen.

Zuletzt schenkt Raphael dann noch einmal seine verheißungsvolle Aussicht auf unsere Sehnsucht nach Befreiung (mumuksutva): »Dann kannst du das sein, was du wirklich bist, und dieser Zustand offenbart dir Fülle, das heißt, Freiheit und Glückseligkeit, Fülle, die du aus einem reinen Akt der Liebe, die endlich von Erwartungen, Projektionen, Begierden und Besitznahme befreit ist, jedem Lebewesen schenken kannst«. (Raphael)