Die Seele besitzt die Wahrheit schon
Wenn wir uns nur an die Erkenntnis der Sinne halten würden oder wenn wir nur die sinnlich wahrnehmbaren Objekte erkennen könnten, wäre unsere Erkenntnis unvollständig und unvollkommen, und wir müssten uns mit der Meinung (doxa) zufriedengeben.
Nun haben wir aber eine Vorstellung von der Idee der Gerechtigkeit, von der Idee des Schönen und von der Idee der unveränderlichen Wirklichkeit. Wir haben eine Vorstellung von dem perfekten Kreis, von der Einheit, von den mathematischen Größen, das heißt von Dingen, die nicht in den Bereich der phänomenalen Erscheinungswelt gehören.
Woher kommen diese Ideen, die wir mit unseren Sinnen weder sehen noch berühren können, und die dennoch in uns sind?
Platon sagt, dass es eine »Zeit« gab, in der wir diese Ideen schauten. Danach sind wir in die Zeugung »gefallen« und haben sie vergessen. Und doch befinden sie sich immer noch im tiefsten Inneren unserer Seele und sind daher potenziell vorhanden. …
Wenn die Seele also die Wahrheit bereits potenziell besitzt, haben wir die Aufgabe, sie zu offenbaren. Wenn die Seele die Erkenntnis in sich hat, sollten wir versuchen, uns »wieder an sie zu erinnern«.
© Asram Vidya April 2012
aus Raphael, Initiation in die Philosophie Platons
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