Ethik des Yoga
Da Yoga keine Religion und auch keine einseitige Glaubensform darstellt, könnte man, vor allem im Westen, annehmen, dass er weder eine Ethik noch Anschauung hat, die auf einer spirituellen oder initiatischen Philosophie basiert.
Aber diese Annahme ist falsch, da der Yoga – als spirituelle Disziplin – bereits in den Veden und Upanischaden enthalten ist und zu den sechs Darshana-Gesichtspunkten der indischen Überlieferung zählt, dem Fundament vieler Yoga-Arten.
Ließe man dies außer Acht, wäre der Yoga tatsächlich nur eine körperliche und/oder mentale Ertüchtigung, die jedoch sein Wesen, sein Ziel und seine Ethik grundlegend entstellen würde.
Fragte man einen ernsthaften, gut vorbereiteten Schüler, warum er Yoga praktiziert, würde er sicherlich antworten: »Nachdem ich erkannt habe, dass ich in Unwissenheit (avidya) gefallen bin und dadurch meine wahre Natur vergessen habe, begann ich, Yoga zu praktizieren, damit ich die avidya besiegen und mich so in meine reine Essenz, mein reines Bewusstsein wiedereingliedern kann.«
Yoga-Ausübung erfordert fünf grundlegende Dinge:
Patañjali weist in seinem Yogadarsana auf zwei Ethik-Aspekte hin, die vom Anwärter erfüllt werden sollten, bevor er mit der eigentlichen Yoga-Ausübung beginnt: yama (Selbstbeherrschung) und niyama (Gebote).
Yama bedeutet, gewaltlos sein (ahimsa), wahrhaftig sein (satya), sich nichts unrechtmäßig aneignen (asteya), enthaltsam sein (brahmacarya) und nicht habgierig sein (aparigraha).
Niyama verlangt innere und äußere Reinheit (shaucha), sich zufrieden geben (santosha), glühendes Streben mittels Askese bzw. Disziplin und Selbstbetrachtung (tapas), Studium der Yoga-Lehre (svadhyaya) und Hingabe an das Göttliche (ishvarapranidhana).
© Asram Vidya März 2010
aus Raphael, Yoga: Initiationswege zum Transzendenten
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