Alldurchdringendes Feuer
Liebe beinhaltet, sich bedingungslos, widerstandslos zu schenken. Um lieben zu können, muss man für das separative Ich sterben. Man muss vollkommen verfügbar sein. In der wahren Liebe ist jedes Begehren gestorben, jeder Anschein von Ego-Leben beseitigt, jedes individuelle Verlangen transzendiert. Es gibt nichts Kostbareres, als sich zu schenken, als sich zu vergessen, als sich dem Rausch der Vereinigung hinzugeben. Das Prinzip ist die Krönung der wahren Liebe.
Wer sich um die eigene Achse dreht, wer in sich selbst zentriert lebt, erzeugt kein Begehren, sondern enthüllt einfach den Klang des großen Musikers. Wer das Zentrum erreicht, erobert den gesamten eigenen Klangraum, und das ist Vollendung.
Das Begehren, die Übertragungsbewegung oder Denkmodifikation drängt das Individuum zu Aneignung, Werden, in die Zeit und in den Raum. Wer liebt, braucht das Bewusstsein nicht zu verändern, denn es berührt den ganzen Umfang. Wer liebt, braucht die schwingende Saite nicht zu verändern, denn sie lässt die vollkommene Harmonie der Sphären erklingen.
Die anderen lieben bedeutet, sie in unsere schwingende Saite einzugliedern. Daher sind Harmonie und Liebe kein Akt der Identifikation mit den Emotionen und Körperformen der anderen; denn sie sind lediglich die Gefäße, mittels derer sich die Harmonie enthüllt.
Lieben ist keine passive Schwäche, sondern eher das Ruhen in der prinzipialen Identität, im universalen Ton. Schau nicht auf das kondensierte oder individualisierte Feuer, sondern auf die Essenz des Feuers.
Hitze wird durch die Beschleunigung der Atome, Kälte durch die Verlangsamung der Atome verursacht. Je mehr Bewegung, desto mehr Hitze, je größer die Trägheit, desto größer die Kälte. Liebe erreicht eine derartige Schwingungsintensität, dass sie einen Hochofen aus Feuer erzeugen kann, der die Ketten der Getrenntheit sprengt. »Gott ist verzehrendes Feuer«. (Hl. Paulus)
© Asram Vidya Juli 2005
aus Raphael, Der dreifache Feuerweg
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