Rezensionen

Der Dreifache Feuerweg

Auszüge der Buchbesprechung von M. Schwarz
im Januar 2007

Raphael bezeichnet den »praktischen Weg, auf dem das Feuer angezündet, beherrscht, gelenkt und dann ausgelöscht wird« (S. 11) als Feuerweg. ... Es gibt jedoch viele Wege, den einen Weg des Feuers zu verwirklichen, von dem in der Katha Upanishad Yama sagt: »Ich werde dich jenes Feuer lehren, das zum Himmel erhebt. Wisse, das Feuer ist das Mittel zur Erlangung unendlicher Welten. Es bildet ihre Grundlage und ist verborgen an einem geheimen Ort.« (S. 9)

Drei davon stellt Raphael in einem Buch vor, das ... in seinem deutschen Stammverlag erschienen ist: die Verwirklichung gemäß der Alchemie, die Verwirklichung gemäß der Liebe des Schönen (Ästhetik) und die Verwirklichung gemäß der Metaphysik der Überlieferung (Advaita). Auch wenn es sich in gewisser Weise um eine aufsteigende Linie handelt, vom Lebensfeuer über das alldurchdringende Feuer zum farblosen Feuer, werde ich in umgekehrter Weise vorgehen, da für Raphael-Leser ja die reine Metaphysik zum vertrauteren Bereich gehört ...

Tatsächlich knüpft das Kapitel über die Advaita-Metaphysik, das im übrigen von den dreien das kürzeste ist, in der Form von Aphorismen, die oft Lehrsätzen mit Erläuterungen gleichen, an die bekanntesten Bücher Raphaels an, an Tat Tvam Asi – Das bist du (Bielefeld 2000) und Advaita Vedanta – Der Weg der Nicht-Dualität (Bielefeld 1998) und natürlich auch an die bereits erwähnten Kommentare zu den großen Lehrtexten.

In seiner persönlichen Weise über das Unpersönliche schreibend, gibt Raphael dem Leser Winke zur Verwirklichung, invoziert er, geradezu leidenschaftlich, die Flamme der Freiheit, um den Leser aus seiner (möglichen) Lethargie aufzurütteln (es handelt sich gewiss um den bewussten Einsatz dieses Instrumentariums), gibt zugleich Aufklärung über die Metaphysik in Abgrenzung zu ähnlichen – im Grunde keinesfalls ähnlichen, aber für ähnlich gehaltenen – Disziplinen, usw.
Aber nie verliert er den Mittelpunkt aus dem Blick. Den Pol, an dem das Feuer brennt, das die scheinbaren Entgegensetzungen der Welt des Scheins auslöscht: »Um zu einer metaphysischen Anschauung zu gelangen, muss man sich in den Pol, in den Mittelpunkt, in die Radnabe begeben. Es bedeutet, das Zentrum des Kreuzes, den Mittelweg zu betreten, der sich weder rechts noch links befindet, aber auch nicht in der Mitte, wie sie üblicherweise verstanden wird, denn der Mittelweg ist jener höchste Punkt, in dem die Polaritäten aufgelöst und vollkommen transzendiert werden.« (S. 131)

Es sei auch erwähnt, dass die sprachliche Form des Werks überzeugt. Da es sich um die gleiche Übersetzerin wie bei den öfters äußerst schwierig zu lesenden technischen Formulierungen der Kommentare handelt, darf angenommen werden, dass es sich um stilistische Unterschiede auch im italienischen Original handelt.

Schönheit der Form ist keine Sünde gegen den Geist der Metaphysik, dies beweist der Weg der Schönheit. Dies ist zugleich der Weg der Liebe, denn nur Liebe ist Schönheit – Harmonie, Einklang der Töne oder des Lichts. Raphael beruft sich bei der Einführung zu diesem Abschnitt auf die Theorie der überlieferten Kunst von Ananda K. Coomaraswamy, und – natürlich – auf Plotin

Das Paradox dieses Wegs ist, und das macht den Weg der Sinneswelt, meiner Ansicht nach, auch schwieriger als er zunächst erscheinen mag, dass man ihn auf eine Weise zu gehen hat, der die Sinne und die Schönheit der Sinnlichkeit hinter sich lässt, um zu der Einheit zu gelangen, die nur mehr Schönheit an sich ist, ohne einen schönen Gegenstand oder einen schönen Betrachter.

Darum muss Raphael auch ermuntern »Sei nicht traurig wegen deiner Lösung von der sinnlichen Welt.« (S. 96) Das Kunstwerk dient als Anregung für den Geist, sich gerade durch die Anschauung von den Fesseln der Anschauung zu befreien. Dies bedeutet, so Coomaraswamy, von Raphael zitiert, dass das Kunstwerk Anteil an Himmel wie Erde hat, und damit auch von der Erde zum Himmel – dem alldurchdringenden Licht – führt.

Viele konkrete Hinweise gibt Raphael auch im ausführlichsten Kapitel über die »Transmutation (...) der psychophysischen Kräfte in universale Kräfte« (S. 11), also die Alchemie. Das erwähnte Anzünden, Beherrschen, Lenken und Auslöschen des Feuers ist in der Sprache des Alchemisten die Rektifikation, Fixierung, Seperation und Konjunktion des Quecksilber-Feuers. (S. 12).

All jene, die Macht oder Unsterblichkeit suchen, warnt Raphael, daß der "»Feuerweg' nicht gemacht ist, um Menschen zu erschaffen, sondern Götter. »Wisse, die Unsterblichkeit kannst du in der Asche deiner ‚gewöhnlichen Zusammensetzung' finden, aber die Ewigkeit oder das Zeit-, Raum- und Kausalitätslose erreichst du durch den Tod und die Auflösung aller Zustände, seien sie menschlicher oder göttlicher Natur.« (S. 32) Raphael gibt die Übereinstimmungen nicht nur mit dem Vedanta, sondern auch der Qabbalah an, über die er ebenfalls ein Buch verfasst hat, das leider noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde.

In Entgegensetzung zur »egohaften Bruchstückhaftigkeit« (S. 76) führt Raphael den Begriff der Würde ein. »Um in Würde zu leben, ist eine klare innere Orientierung notwendig. Nicht die Worte an sich sind es, die eindringen und wirken, sondern die Ausströmung der inneren und schwefeligen Würde.« (ebd.)

»Würde ist ein Stil des Seins auf der Ebene des Vielfältigen.« (S. 79) »Würde ist Feuer, das verbrennen und einäschern oder entfachen, glühen und formen kann. (...) Das Wesen aus Würde ist unbewegt wie die nächtliche Sonne, die vom Zenith erstrahlt.« (S. 80)

Der Feuerweg ist der Weg der Würde und Raphael ist sein würdiger Interpret. Der Dreifache Feuerweg ist das invokativste Buch Raphaels (d.h. von denen, die ich kenne). Es versucht in demjenigen, der die Qualifikation trägt, das Feuer zu entzünden. Er vereint damit wertvolle technische Details, begriffliche Präzisionen und Referenzen zu wirklichen spirituellen Autoritäten.

Buchbesprechung von Emilio Servadio

Bei Raphael (der Name ist natürlich ein Pseudonym) handelt es sich um einen vollkommen außerhalb des Gewohnten stehenden Denker, dessen Lehren das Leben all derer, die sie in sich aufgenommen haben, zutiefst geprägt hat. Für diejenigen, die es noch nicht wissen: Raphael hat etliche Texte der Vedanta-Überlieferung aus dem Sanskrit übersetzt und mit wertvollen Kommentaren versehen; zum Beispiel die Bhagavadgita, die Mandukya Upanischade, die wichtigsten Werke von Shankara, eine Sammlung aus fünf Upanischaden und viele mehr.

Darüber hinaus hat Raphael einige Bücher verfasst, die sich alle mehr oder weniger auf die universale Überlieferung, die wahre Philosophia perennis beziehen, - auch wenn er sich vornehmlich auf die initiatische Weisheit des Ostens, besonders Indiens konzentriert. So sind hoch inspirierte und wegweisende Bücher erschienen, wie La Filosofia dell' Essere [neuer Titel: Quale Democrazia?, Anm. d. Red.], Jenseits des Zweifels, Die Quellen des Lebens, Tat Tvam Asi – Das bist Du, sowie innovative und erneuernde Werke über Platon und die Orphik; und nicht zuletzt jenes Buch, das als sein Hauptwerk gilt: Der Dreifache Feuerweg.

In diesem Buch, in dem man gar nicht aufhören möchte, zu lesen und über das Gelesene zu meditieren, behandelt der Autor drei Zweige der überlieferten Philosophie: Alchemie, Ästhetik und Metaphysik.

Es gibt hoffentlich nur noch wenige, die die Alchemie für eine verschrobene, ungeordnete Matrix halten, aus der die heutige Chemie entstanden ist. Denn viele tiefgehende Studien haben längst gezeigt, dass die Alchemie eine wunderbare Technik sein kann, die (sich in Äquivalenzen, Bildern und Symbolen ausdrückend, die mit Absicht geheimnisvoll und schwierig auszulegen sind) die abschließende völlige »Restaurierung« dessen thematisiert, was im Menschen als göttliche Essenz existiert, aber durch bleierne Wolken der Unwissenheit (auf Sanskrit: avidya) verdunkelt ist.

Raphael schreibt, dass die Alchemie die »Verwandlung von Blei in strahlendes Gold ist, die Verwandlung all unserer individualisierten psychologischen Kräfte in universale Kräfte«. Und dann erklärt und kommentiert er die bekannten überlieferten Stufen des alchemistischen Werks: Nigredo (Reinigung), Albedo (Trennung), Rubedo (Vereinigung). So verwirklicht man jenes Große Werk, von dem selbst die Unwissenden schon gehört haben. Der enorme Wert der Darlegung liegt darin, dass Raphael dem gesamten alchemistischen Prozess ein auflösendes Feuer gibt und die zaghaften Kenntnisse des Neophyten durch Informationen, Vergleiche und Annäherungen an Kabbala und Vedanta sowie erleuchtende Zitate der hermetischen Philosophie bereichert.

Der zweite Teil des Buchs behandelt die Ästhetik, die Liebe des Schönen. Und der Rezensent sagt ganz offen, dass er in einer Abhandlung über Ästhetik (und man weiß sehr wohl, wie viele bereits geschrieben worden sind) noch nie eine so hohe Musikalität vorgefunden hat, wie in diesem Werk von Raphael. Dadurch wird die Lektüre immer harmonischer und erfüllender, wie beim Lesen eines Gedichtes oder beim Anhören des Ave Verum von Mozart.

»Das mentale Werkzeug ist die Tastatur, mit der du deine Musik spielen und deine Harmonie und Schönheit entwickeln kannst. Es muss beherrscht und geschult werden. Die Harfe muss gestimmt sein und der Musiker muss das Harfe-Spiel beherrschen.
Unser mentales Werkzeug ist eine verstimmte Harfe, auf der wir daher nur chaotische, schräge und frustrierende Töne hervorbringen. Dein physischer Körper sollte lediglich einen Resonanzkörper bilden, um die Klangfarbe deiner Modulation zu übertragen.
Wenn es dir gelingt,
– eine Bewusstseinssaite, die geschmeidig ist und auf den großen Einklang antwortet,
– ein »inneres Gehör«, das für die universale Harmonie empfänglich ist, – ein mentales Werkzeug, das neugeschult und bereit ist, die Klänge zu gestalten,
– einen leistungsfähigen Resonanzkörper, der für spezielle Klangfarben geeignet ist,
zu besitzen, wirst du sicher in die Sphärenmusik, in die Lieblichkeit der Harmonie und der Liebe, in das Gesetz des Einklangs und in die Wahrnehmung der Schönheit eingeweiht werden. Denke daran: Wahre Kunst ist der essenzielle Ausdruck göttlicher Schönheit.«

Das sagt Raphael. Und so äußert er sich in seinem Werk La Filosofia dell' Essere [neuer Titel: Quale Democrazia? Anm. d. Red.]

»Aus der Perspektive der Überlieferung wird jede Form oder jeder Körper als eine Architektur gesehen, die das Schöne der Idee entfesselt. Wer mittels der Form schaut, sieht die erhabene Schönheit der archetypischen Geometrie des Seins. Die Form ist ein Träger der Kontemplation des Intelligiblen, daher der Erhebung zur Harmonie und zum Schönen, die in uns sind. So aufgefasst ist die Kunst ein Weg der Verwirklichung, ein Weg der Schönheit, der zur höchsten Schönheit führt, welche höchste Vollkommenheit ist. Wer diesem Weg folgt, wird schrittweise die Schönheit, die Harmonie und den Einklang des Universalen wahrnehmen und sich in sie versenken können, die sich durch Schönheit, Harmonie und Einklang der Formen und Volumen enthüllen. Die Kunst muss Körper und Seele des kontemplativ schauenden Subjekts nähren. Platon, Plotin und andere weisen als einen Weg der Verwirklichung auf sie hin.«

Der dritte Teil des Buchs widmet sich der Metaphysik. Hier kann wirklich nichts mehr paraphrasiert werden. Mit Bewunderung lesen wir, was Raphael dazu schreibt:
»Wenn ich zum Beispiel sage: Es existiert weder Morgen- noch Abenddämmerung, weder hell noch dunkel, könnte dir das den Boden unter den Füßen wegziehen, weil diese Phänomene für dich so real sind wie deine körperliche Beschaffenheit. Ich spreche aber nicht vom Gesichtspunkt der Erde, die dein Fenster darstellt, sondern aus der Perspektive der Sonne. Hierin liegt der entscheidende Punkt dieses weglosen Wegs: Schlagartig spreche ich in einer Sprache zu dir, die du nicht kennst, die nicht die deine ist. Gelingt es dir nun, dich aus deinem irdischen Fenster zu lehnen und dich stützenlos und unmittelbar in die Sonne zu katapultieren?«

Und an anderer Stelle:
»Die Metaphysik geht über alle profanen und auch heiligen Wissenschaften hinaus, sie ist daher keine Kosmologie, auch keine Ontologie, die sich auf das Ur-Eine bezieht. Der metaphysische Weg in der Kabbala ist der Weg des Ain soph, in der Alchemie ist es der Weg, welcher den Schwefel auflöst, im Vedanta ist es der Weg des Nirguna oder Turiya. Für Platon und Plotin bedeutet der metaphysische Weg die Verwirklichung des Einen-Guten, welches sogar das Sein bzw. das Eine-Viele transzendiert.«

Wie wir sehen, bewegt sich Der Dreifache Feuerweg auf sozusagen übermenschlichen Ebenen. Daher kann ich nur empfehlen: Lesen, lesen, lesen und über diese außerordentlichen Inhalte meditieren. »Der Rest«, so hätte Shakespeare gesagt, »ist Stille«.

Nota bene:
Anlässlich der Erstausgabe des 1986 in Italien erschienenen Buchs (Originaltitel: La Triplice Via del Fuoco), veröffentlichte der italienische Gelehrte Emilio Servadio in demselben Jahr diese Buchbesprechung in der überregionalen Tageszeitung Il Tempo.

Servadio (1904-1995) gilt als »Vater der italienischen Psychoanalyse«. Durch herausragende Leistungen auf den Gebieten der Psychoanalyse, Parapsychologie, Kunst, den östlichen Lehren und vielen anderen Bereichen wurde ihm internationale Anerkennung zuteil. (jiva) manifestiert diese Urintelligenz proportional zum eigenen Erwachtsein (als Ebenbild Gottes) und das jiva-Bewusstsein, das in der Lage ist, die eigene Ich-Bezogenheit zu überwinden und in das Ganze zurückzukehren, macht nichts anderes als das, was »bereits von Plotin auf bewundernswerte Weise ausgedrückt (wurde), als er sagte, dass er versuchen wolle, das Göttliche in sich zum Göttlichen im All hinaufzuheben.« (S. 39) ...

Die Vorbereitungen und Mittel, die dem Schüler helfen, das Ziel der Loslösung zu erreichen, sind Gegenstand der weiteren Erörterungen, die die bekannt meisterliche Differenzierungskunst des Patañjali zeigen, deren (mögliche) Hilfestellung, abseits von sterilem Wissen über Bewusstseinsformen, für den persönlichen Weg Raphael aufzuzeigen vermag.