Initiation und Überlieferung
Wenn von spiritueller Verwirklichung oder Initiationsprozessen gesprochen wird, ist stets die praktische Anwendung eines Bewusstseinszustandes gemeint. Wenn die Verwirklichung nicht das Wiedererwachen des Bewusstseins fördert, löst sich das Ereignis in einem theoretischen, dianoetischen Vorgang um seiner selbst willen auf, der weder umformt noch eine Katharsis erzeugt.
Die Initiation (diksa) bringt, wenn sie aktiviert wird, eine »Bewusstseinserweiterung« mit sich, einen Seinszustand, eine vollständige und aktuelle Umwälzung des Lebensstils. In den meisten Fällen wird die initiatische Lehre der Überlieferung leider nur konzeptualisiert und intellektualisiert …
Im Westen gibt es viele Theoretiker, Experten und Essayisten des Initiationsweges sowie Kuratoren des überlieferten Gedankengutes; was jedoch nicht bedeutet, dass sie auch selber »den Weg gehen«; letzteres würde beinhalten, sich nicht nur theoretisch, Kenntnisse ansammelnd, sondern auch praktisch ans Werk zu machen …
Initiation beinhaltet eine neue Seinsweise und nicht einfach nur eine neue Verhaltensweise. In der Antike war Philosophie eine Art jñåna-marga oder Erkenntnisweg um zu sein: jener Weg (odos), den die Göttin Parmenides gelehrt hat. Genau aus dieser Perspektive sprechen wir oft von überlieferter Philosophie oder Philosophia perennis. Der wahre Philosoph verkörpert, lebt und bezeugt die philosophische Anschauung. Empedokles zufolge ist Philosophie eine Lebenskunst und keine müßige akademische Übung.
© Asram Vidya Januar 2025
siehe Raphael, Feuer der Philosophen
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