Meditationssamen – Archiv

Januar 2005

Vivekacudamani und Advaita Vedanta

Raphael:
Es existiert eine unwandelbare, ewige, wahre Wirklichkeit ohne Erzeugung und Auslöschung, ohne Ursache und Wirkung, ohne Raum und Zeit, widerspruchslos. Sie ist eine einzige ohne Zweite.

Sankara:
Es wäre natürlich ein Dummkopf, wer sich, in Besitz einer menschlichen Geburt mit männlichen Eigenschaften, davon enthielte, das Ziel der Existenz verwirklichen zu wollen.

Raphael kommentiert:
Das Ziel der Existenz ist die Befreiung. Wenn das menschliche Wesen durch die maya bzw. avidya in Knechtschaft gefallen ist, hat es nur noch ein Ziel: die Rückeroberung seiner Absolutheit und Erfüllung...

Sankara:
Mag das Volk auch die Shastra erwähnen, mag es die Götter mit Opfern anrufen, mag es Riten vollziehen und die persönlichen Gottheiten günstig stimmen; wahre Befreiung ist dennoch nicht ohne die vollkommene Verwirklichung der eigenen Identität mit dem atman möglich, nicht einmal in hundert Leben Brahmas.
Was bedeutet Verwirklichung?

Raphael:
Verwirklichen bedeutet, »etwas wirklich werden lassen«, »etwas in die Wirklichkeit übertragen«, »sich bewahrheiten«, »etwas ausführen« usw. Für uns ist die zutreffendste Bedeutung: »ausführen«, das heißt »von der Potenz zum Akt übergehen«, also das, was potenziell möglich ist, in die Aktualität umsetzen. Verwirklichen beinhaltet daher etwas, was bereits existiert und ist.

Die meisten Individuen machen nichts anderes, als ihre Träume, Ideale und Vorstellungen zu verwirklichen. Wenn das Wesen in seiner Gesamtheit nur eine Individualität, ein empirisches Ich wäre, müsste diese Art von Verwirklichung zu Vollkommenheit und Glückseligkeit führen. Wir wissen jedoch, dass dies nicht so ist. Die Individualität ist unglücklich, zwiegespalten, rastlos und unzufrieden. Offensichtlich reicht ihre Verwirklichung nicht aus oder ist eine falsche Verwirklichung.

Zum Glück gibt es eine andere Art von Verwirklichung. Sie wohnt dem Selbst, der wahren Natur des gesamten Wesens, dem atman-Geist, dem Sein als solchem, unserem göttlichen Gegenpart inne. Diese Verwirklichung ist die Erfüllung unserer wahren Essenz. Und in der Erfüllung unserer Essenz kann es keine Konflikte und keine Verwirrung mehr geben.

© Asram Vidya, 2004 / 2005

Zitiert aus: Vivekacudamani und Advaita Vedanta


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