Rezensionen

Jenseits der Ich-Illusion

Buchbesprechung von A.Groß

Eigentlich verbietet die intuitive Präzision und Genauigkeit des Autors, der offensichtlich nichts dem Zufall überlässt, die Ausarbeitung einer gewöhnlichen Buchbesprechung. Warum? Weil die Bedeutsamkeit des Inhalts im Grunde nicht nach individuellen Maßstäben beurteilt werden kann.

Der mit offensichtlicher Sorgfalt ausgewählte Titel deutet schon darauf hin und zeigt zu welcher Reise uns der Autor inspirieren möchte.
Dort erwartet den Leser ein exzellenter Kenner »jenseits der Ich-Illusion«.

Um der Schrift annähernd folgen zu können, da Raphael sich eher an das Bewusstsein als an den Verstand wendet, scheint es erforderlich von persönlichen Werte und Weltvorstellungen abzusehen.
Der offene und unvoreingenommene Leser wird dann schnell merken, dass vom Inhalt und Aufbau des Werkes eigentlich nichts hinzugefügt oder entfernt werden muss.
Auf bestimmten Ebenen verschwinden Gegensatz und somit Widerspruch und bedingen ergo unsere uneingeschränkte Zustimmung.

Eine Frage könnte sich nun stellen: Was kann man als Leser von den Schriften Raphaels im Allgemeinen und von "Jenseits der Ich-Illusion" im Besonderen erwarten?
Zentrales Thema scheint immer wieder das Aufzeigen der metaphysischen Unwissenheit zu sein, mit den Folgen des Leidens an den eigenen Notwendigkeiten. Darüber hinaus die Auflösung des Leidens durch Selbsterkenntnis bis hin zur Freiheit von Fülle-Glückseligkeit. Dinge übrigens, die sich im Menschen seit Ewigkeiten befinden, "aber zutiefst verborgen bleiben, . . ." wie er betont.
Damit folgt er Größen wie Platon, Plotin, Buddha oder Shankara, um nur einige zu nennen, die sich ähnlich ausdrückten.

Wer sich dann mit obiger Schrift eingehender auseinandersetzt, gewinnt zunehmend den Eindruck, dass sich hier eine Transzendenz des Bewusstseins offenbart mit der besonderen Eignung, uns die Tore zur Welt der reinen Ideen (Platon) zu öffnen (»Ich gebe Dir die Schlüssel, um die Tore des Tempels zu öffnen ...«, S.13).

Denn um wahrhaft verstehen zu können benötigen wir mehr als unseren sinnesorientierten Verstand.
In allem nie das oben beschriebene Ziel aus den Augen verlierend, denn Irrtümer gibt es viele, verschweigt Raphael uns zu keiner Zeit die Voraussetzungen, Notwendigkeiten und Schwierigkeiten, um die Selbsterkenntnis zur Vollendung zu bringen.

Den Wirrnissen und Begrenzungen der Alltagsidentifizierung setzt er mit seinen oft ganz präzisen Darlegungen eine Erkenntnis entgegen, die uns die Schönheiten (Prinzipien) der geistigen Welt aufzeigt; nur um in einem finalen Akt die absolute Freiheit zu verwirklichen.

Ungewöhnlich mögen dem Leser vielleicht anfangs seine zum Feuer Bezug nehmenden Erklärungen sein: »Das Leben des Schülers besteht also aus Feuer ...«, »Triebe, Leidenschaften, Ideen usw. sind nichts anderes als Feuer...«. Mit seinen profunden Kenntnissen der östlichen und westlichen Überlieferung ist Raphael aber bestens ausgestattet und bewegt sich auch hier auf sicherem Terrain.
Wer mehr über seine Feuer-Philosophie erfahren möchte, dem sei - an dieser Stelle - sein Werk Der Dreifache Feuerweg wärmstens empfohlen.

Auffällig und eines Hinweises wert, sind auch entsprechende Schaubilder (wie in vielen seiner Schriften), die uns u.a. den Aufbau des Wesens beschreiben und zusätzlich unsere Aufmerksamkeit schärfen.

Durch seine ganze Arbeit hindurch lässt er uns nicht einen Augenblick im Unklaren darüber, was beherrscht, aufgelöst und überschritten werden muss. Wichtige Faktoren also, um den Verwirklichungsprozess zum Siedepunkt zu bringen.

Zuletzt schenkt Raphael dann noch einmal seine verheißungsvolle Aussicht auf unsere Sehnsucht nach Befreiung (mumuksutva): »Mögen alle Menschen ihre Seele wieder beflügeln und zu den höchsten Gipfeln der objektlosen Glückseligkeit fliegen, welche unsere wahre Natur ist und niemals zerstört werden kann - so "getrübt" und verhüllt sie auch sein mag.«