Meditationssamen – Archiv

Januar 2007

Dialektik der Liebe

Wer nämlich bis hierher gelangt …, der wird bei wohlgeordneter und richtiger Betrachtung des mancherlei Schönen, endlich, am Ziele des zu dem Liebenswerten führenden Weges angelangt, plötzlich ein Schönes von wunderbarer Natur erblicken …, auf das alle früheren Bemühungen hinzielten.

Zum ersten ist es ein ewig Seiendes, weder entstehend noch vergehend, weder zunehmend noch abnehmend, sodann nicht in gewisser Beziehung schön, in anderer häßlich, auch nicht bald schön, bald wieder nicht, auch nicht beziehungsweise schön und beziehungsweise hinwiederum häßlich, auch nicht hier schön, dort häßlich, so daß es die einen schön, die anderen häßlich finden.

Auch wird sich dies Schöne dem Beschauer nicht darstellen als ein Gesicht oder in der Gestalt von Händen oder von sonst etwas Körperhaftem, ebensowenig aber auch als irgendeine Art von Rede oder wissenschaftlicher Erkenntnis, … sondern rein für sich und mit sich in unabänderlicher Daseinsform verharrend; …

Wenn aber einer, emportsteigend …, jenes Urschöne selbst zuerst auftauchen sieht, dann ist er in unmittelbarer Nähe des Zieles; denn das ist der richtige Weg, um selbständig oder von einem anderen geleitet das Ziel der Liebe zu erreichen: beginnend mit dem sinnlich Schönen hienieden muß man dem Schönen zuliebe Schritt für Schritt immer weiter emporsteigen, als ginge es eine Stufenleiter hinauf, von einem einzelnen Schönen zu zweien und von zweien zu allen schönen Körpern, von den schönen Körpern sodann zu den schönen Lebensberufen und von diesen zu den schönen Wissensgebieten und von diesen Wissensgebieten aus gelangt man schließlich zu jenem Wissensgebiet, das nichts anderes zu seinem Gegenstand hat als eben jenes Schöne selbst, das er nun schließlich als das Schöne an sich erkennt.

© Asram Vidya Januar 2007

aus Raphael, Initiation in die Philosophie Platons

 


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