Meditationssamen – Archiv

Mai 2013

Unterscheidung zwischen dem Sehenden und dem Gesehenen

17. Diese [Individualität], die die Natur des jiva hat, erscheint als Wirkung einer illusorischen Überlagerung des Zeugen [saksin]. Wenn die verhüllende Kraft der maya verschwindet, kann man deutlich den Unterschied feststellen, und folglich verschwindet sie [die Individualität].

18. Auf ähnliche Weise scheint Brahman unter dem Einfluss der verhüllenden Kraft, die jeden Unterschied zwischen dem Universum der Erscheinungen und Brahman verbirgt, die Attribute des veränderlichen Universums zu besitzen.
                                                                        Drigdrisyaviveka, Vers 17-18

Kommentar von Raphael:
Wie der atman vom individuellen Gesichtspunkt aus die Eigenschaften des jiva-Trägers zu haben scheint, so scheint Brahman, vom universalen Gesichtspunkt aus, diese überlagerten Attribute zu haben, die der Welt der Namen und Formen angehören. Wenn wir zum Beispiel dem Seil irrtümlicherweise die Schlange überlagern, geben wir dem Seil die entsprechenden Attribute der Schlange, so dass das Seil mit Eigenschaften erscheint, die ihm gar nicht gehören. Unseren sinnlichen Augen »erscheint« das Brahman einmal als dies und einmal als das, aber in Wirklichkeit bezieht sich die kontinuierliche und unaufhörliche Veränderung der Formen bzw. des manifesten Lebens nur auf das Schauspiel.

19. Auch in diesem Fall kann der Unterschied zwischen Brahman und der phänomenalen Welt erst dann verstanden werden, wenn die verhüllende Kraft der maya beseitigt worden ist. So kann die Veränderung [nur] im Manifesten und nie in Brahman wahrgenommen werden.

20. Die Existenz [sat], das ausstrahlende Bewusstsein [cit], die Glückseligkeit [ananda], der Name und die Form sind die fünf universalen Merkmale; die ersten drei beziehen sich auf das Brahman, die anderen zwei auf das phänomenale Universum [d.h. auf den Widerschein].

                                                                                               Drigdrisyaviveka, Vers 19-20

© Asram Vidya Mai 2013

aus Sankara, Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst – Drigdrisyaviveka



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